Eher Kundgebung als Demonstration – LKZ-Bericht vom 21.09.2009


Etwas 500 Leute beteiligten sich an der Demonstration für mehr Lärmschutz entlang der Autobahn. Die Veranstalter hatten sich mehr Teilnehmer erhofft.
Bild: Alfred Drossel

Eher Kundgebung als Demonstration

Es war eine leise Demonstration für den Lärmschutz entlang der A 81. Nur ab und an war ein Trillerpfeifchen zu hören, fast schüchtern eine Rätsche. Lautstarke Parolen? Fehlanzeige. Und doch waren sich alle Redner und die etwa 500 Teilnehmer an der Kundgebung einig: Man wolle so lange keine Ruhe geben, bis dem Krach Einhalt geboten wird.
„Lärm und Gestank macht krank“, steht zum Beispiel auf den wenigen Transparenten und die Forderung der Aktionsgemeinschaft „AG-81“: Aktiv gegen Lärm – Erweiterung nur mit Lärmschutz. Das steht auch auf den blauen Buttons, die noch viel mehr Teilnehmer an die Brust geheftet hätten, wären sie nicht ausverkauft gewesen.
„Wir wollen den Verkehrsfluss nicht durch eine Blockadehaltung behindern“, betont Elly Martinat, Sprecherin der Initiative. Aber ohne ein intelligentes Konzept, den Krach zurück auf die Autobahn umzulenken, seien alle Pläne die Stand- zur Fahrspur umzuwidmen sowie die anderen Vorhaben vor allem rund um den Autobahn-Anschluss „Ludwigsburg Süd“ indiskutabel.
Auf gut schwäbisch: „Wir fühlen uns vom Regierungspräsidium Stuttgart verarscht.“ Damit erntete Roland Glasbrenner von der AG tosenden Applaus aus Ludwigsburg, Möglingen, Freiberg, Asperg. Sogar aus Sindelfingen und Böblingen waren solidarische Delegationen gekommen. Dort im Stuttgarter Amt würden sich eigene Grenzwerte und Regeln ausgedacht, um sich um die Kosten für die Lärmschutzwände herumzumogeln.
Täglich würden zwischen Zuffenhausen und Pleidelsheim 130 000 Fahrzeuge am Tag donnern. Der Krach könne den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt durcheinander bringen, erhöhe die Gefahr von Bluthochdruck und das Herzinfarktrisiko. Abgesehen vom schlechteren Schlaf. „Wo bleibt der Mensch?“, fragte Glasbrenner und sprach von vorsätzlicher Körperverletzung. Selten waren so viele Politiker unterschiedlicher Parteien zum selben Thema an einem Tag gleicher Meinung.
Er habe die Zusage einer Staatssekretärin aus dem Bundesverkehrsministerium, dass der Bund die Kosten für die Lärmschutzmaßnahmen übernehmen werde, wenn die Grenzwerte überschritten seien, zog Jan Mönikes von der SPD ein Ass aus dem Ärmel.
Wenn überhaupt: erst die Lärmschutzmaßnahmen, dann die Freigabe der Standspur, meinte Hans-Jürgen Kemmerle von den Linken. Denn der Sicherheitsstreifen müsse für Notfälle vorbehalten bleiben.
Eine Wachstumsregion wie der Großraum Stuttgart sei auf Verkehr angewiesen, sprach der CDU-Kandidat Steffen Bilger von der Ladefläche des Lkw herunter. Allerdings nicht um jeden Preis. „Lärmschutz muss sein.“ Sein Mitbewerber um einen Platz im Bundestag, Alexander Schopf (FDP), beklagte, dass über Jahrzehnte hinweg Baden-Württemberg beim Straßenbau vernachlässigt worden sei.
Gegen den Egoismus bei der Verkehrsberuhigung der Städte plädierte der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Hermann. Des einen Ruhe dürfe nicht zulasten anderer Gemarkungen gehen, kritisierte er die Ludwigsburger Bestrebungen. Bereits der jetzige Zustand an der A 81 belaste die Anlieger mehr als zumutbar.
Vor 40 Jahren sei die Autobahn ohne Gegenwehr auf sechs Spuren ausgeweitet worden, erinnerte Reinhold Noz, Sprecher der AG. So ein Fehler dürfe sich nicht wiederholen, kündigte er an, am Ball zu bleiben. Das ungute Gefühl bei vielen, erstmals auf die Straße gegangen zu sein, zerstreute er: „Wir sind keine Demonstranten, wir sind verzweifelte Bürger.“ Dann verstreuten sich die „Verzweifelten“ relativ gut gelaunt in alle Himmelsrichtungen.
Thomas Faulhaber

„Die Fenster bleiben nachts zu“

(tf) – Für viele war es das allererste Mal im Leben, dass sie für ihre Meinung auf die Straße gegangen sind. Diese teilweise „Demo-Premiere“ hat gute Gründe. Alle fühlen sich vom Verkehrslärm belästigt, haben Sorge davon krank zu werden.
„Die Menschen, die solche Sachen entscheiden, wohnen in den seltensten Fällen an einer Autobahn“, vermutet Roland Mayer vom Römerhügel. Sonst gäbe es überall Lärmschutzwände. Es sei wie ein Tinnitus auf Rädern, meint ein anderer.
Die Frau des Eglosheimers Wolfgang Wanzenberger trägt Hörgeräte. „Für sie klingt es ständig als ob ein skandinavischer Wasserfall von einem Fjord direkt neben ihr herunterbraust.“ Ab vier Uhr morgens ginge es los. Vor dem Buckel sei es am schlimmsten erzählt Brigitte Rayer-Pohland. Dann, wenn die Lastwagen erst auf die Tube drücken, um Schwung zu holen und dann einen Gang runterzuschalten, um kein Tempo zu verlieren.
Dreispurig reicht, meint Felicitas Werner, die nur ein paar Hundert Meter von der A 81 in Pflugfelden lebt. „Es ist nicht der lästigste Lärm, den man sich vorstellen kann, aber er ist immer da.“
Den Innenminister und die Verantwortlichen aus dem Regierungspräsidium würde das Ehepaar Schmerling gerne zum Kaffee auf ihre Asperger Terrasse einladen. „Auf vier Meter Entfernung muss man sich anbrüllen, um sich zu verstehen“, sagen sie. 30 Meter steht das Haus vom rechten Fahrstreifen entfernt. Wird die Standspur freigegeben, haben sie Angst, dass ihnen der Krach noch näher auf die Pelle rückt.
Der passionierte Radler Willi Klattke aus Oßweil hat sich mit den Demonstranten solidarisiert. „Ich fahre gerne durch die Gegend“, erklärt er, wegen des ständigen Lärmpegels, könne er die Landschaft nicht mehr genießen.
Allenfalls das schreckliche Quietschen der S-Bahn empfindet Anne Franke aus Asperg noch schlimmer. Sie habe sich an die Autobahn gewöhnt. „Aber schlimmer darf es auf keinen Fall werden.“ Der 14-jährige Rafael kippt trotz Dauerberieselung sein Fenster zum Schlaf. „Irgendwie muss ja frische Luft rein.“
Davon träumen Karmen und Jürgen Haist nur noch. „Die Fenster bleiben nachts zu.“ Vor allem im Sommer sei das unter dem Dach eine echte Herausforderung. „Da muss man dann durch.“ Besonders mögen die beiden Eglosheimer hupende Brummis und Motorradfahrer, die ihre Maschinen auf obersten Drehzahlen zur Höchstleistung peitschen. Nur sonntags zwischen 2 Uhr und 9 Uhr kehre etwas Ruhe ein, sagen sie. Und: „Wir genießen jeden Stau.“

 


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