Die Regionalplanung geht in die Endrunde

Die Regionalplanung geht in die Endrunde

Und sie bewegt sich doch?

Neun Anhörungstermine liegen hinter der Regionalverwaltung und den Kommunen in den Mittelbereichen der Region Stuttgart. Mitglieder der Fraktion Freie Wähler , haben alle Termine wahrgenommen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Städte und Gemeinden, aber auch die Landkreise, den gegenwärtigen Planungsstand bewerten.

Vorab kann man den Vertretern der Verbandsverwaltung, an der Spitze der neue Chefplaner Thomas Kiwitt, eine sehr kompetente und im Ton verbindliche Verhandlungsführung attestieren. In vielen Bereichen können wir Freien Wähler die Grundlinien des Regionalplanentwurfs auch mittragen.
Und sie bewegt sich doch!?
Man konnte immerhin feststellen, dass die teilweise geballte Kritik am regionalen Gängelband nicht ganz ohne Wirkung blieb. In aller Kürze sei dies für die nachfolgenden Punkte beschrieben. Ohne jede Selbstüberschätzung können wir Vertreter der Freien Wähler im Planungsausschuss feststellen, dass sich unser „Bohren dicker Bretter“ gelohnt hat. Immer und immer wieder hatten wir darauf hingewiesen, dass die jetzt im Verwaltungsvorschlag flexibler ausgestalteten Positionen einen nicht zu verantwortenden Eingriff die kommunale Planungshoheit dargestellt und auch teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen hätten. Im Einzelnen:

• Bedarfsbemessung für neue Wohnbauflächen

Wir teilen die Einschätzung der Regionalplaner, dass die Zeit dynamischen Bevölkerungswachstums vorbei ist und dass mit Natur und Landschaft schonend umgegangen werden muss. Dazu gehört auch – allerdings in praxisgerechter Weise – die Betonung der Innenentwicklung. Ein nach dem Rasenmäherprinzip verteilter rechnerischer Zuwachs von 1 % der Wohneinheiten in 5 Jahren bei Gemeinden mit Eigenentwicklung und 1,5 % im sog. Siedlungsbereich ist aber als Wachstumsrahmen völlig unzureichend. Immerhin wurde jetzt konzediert, dass dies keine verbindlichen Obergrenzen, sondern Orientierungswerte sind, von denen in ganz besonders begründeten Einzelfällen (Einpendlerüberschuss, überdurchschnittlich starke „Bauherrengeneration“ in der Gemeinde) abgewichen werden kann. Die Beweislast liegt aber ausschließlich bei der Gemeinde.

• Einschnürung durch Grünzüge und Grünzäsuren

Dieses grundsätzliche richtige Planungsinstrument soll im Einzelfall etwas flexibler gehandhabt werden. Vor allem Grünzüge sind i.d.R. nicht parzellenscharf dargestellt und können im Zuge der Bauleitplanung begrenzt „ausgeformt“ werden. Auch wird das von uns mit Hinweis auf die Rechtslage beanstandete absolute Bauverbot in Grünzügen insoweit gelockert, als privilegierte Vorhaben (Landwirtschaft, Infrastruktureinrichtungen wie z.B. Kläranlagen, die auf den Außenbereich angewiesen sind) doch möglich sind. Neu ist, dass unter dem Begriff „Grünzug“, die früher im Regionalplan enthaltenen „schutzwürdigen Bereiche“ ohne Differenzierung zusammengefasst sind. Dazu waren die Planer nicht verpflichtet, dieses „Breitbandantibiotikum“ dient ausschließlich der Vereinfachung der Verwaltungsarbeit. Die Wirkung ist die gleiche wie bisher – es handelt sich um ein Ziel der Regionalplanung, das nicht überwunden werden kann. Deshalb müssen die Gemeinden sehr genau darauf achten, ob solche Gebiete mögliche Entwicklungen mehr als vertretbar behindern. Anders ist es mit den teilweise bis an die Ortsränder heranreichenden „Vorbehaltsgebieten“ (meist für Landwirtschaft). Hier ist ein Abwägungsvorgang durch die Gemeinde möglich. Insgesamt ist festzustellen, dass durch ein Nebeneinander oder Überlagern von Landschaftsschutz, Naturschutz, Vogelschutz und Grünzügen, der Entwicklungsraum vieler Kommunen drastisch eingeschränkt ist. Unbefriedigend ist auch die Tatsache, dass durch die zu hohe Gewichtung von landschaftlichen und ökologischen Komponenten die Siedlungsentwicklung überwiegend in wertvolle landwirtschaftliche Flächen, vor allem Ackerböden, gedrängt wird.

• Unterschiedliche Behandlung in Nachbarregionen

Die Verwaltung hat die unterschiedliche Behandlung von Planungszielen im Vergleich zu den Nachbarregionen eingeräumt und zugesichert, sich um eine Annäherung zu bemühen. Die Erfolgsaussichten schätzen wir angesichts der bisherigen Haltung der Landesregierung als recht gering ein.

• Lebensmittelversorgung vor Ort

In diesem Punkt war das nachhaltige Bemühen unserer Regionalfraktion schon im Rahmen der Teilfortschreibung des bisherigen Regionalplans erfolgreich. Auch in kleineren Gemeinden können Märkte jenseits der 800-m²-Marke gebaut werden, wenn sie einigermaßen integriert, also nicht völlig an der Peripherie liegen. Streitfälle im Einzelfall sind vorprogrammiert, wie die Praxis zeigt.

• Benachteiligung kleiner Gemeinden

Trotz des teilweise vehementen Einsatzes von zahlreichen Bürgermeistern ist es bisher nicht gelungen, die zweifelsfrei gegebene Benachteiligung kleiner Gemeinden bei der Bedarfsbemessung im Wohnungsbau zu beseitigen. Die Sicherung der örtlichen Infrastruktur (Kindergärten, Schulen, Einkaufen) fällt hier besonders schwer, wenn die Einwohnerzahlen praktisch eingefroren oder zum Sinken verurteilt werden. Hier wird die Fraktion im weiteren Verlauf der Beratungen noch ein Mal „in den Ring steigen“. Abschließend bleibt nur zu hoffen, dass die bei den Anhörungsterminen anwesenden Regionalräte der Parteifraktionen nicht völlig unbeeindruckt in ihre Gremien zurückgehen.
Die Städte und Gemeinden, wie auch die Wirtschaft, stehen vor schwierigen Zeiten. Alle Akteure sind aufgerufen, zu einem behutsamen, aber unverzichtbaren Wachstum beizutragen. Bürokratische Hemmnisse ohne Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung sind jetzt der falsche Weg. Wir Freien Wähler werden jedenfalls nicht locker lassen, – ohne auf die überörtliche notwendige Lenkungsfunktion der Regionalplanung ganz zu verzichten – die Positionen der Kommunen stärker ins Bewusstsein zu rücken.
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